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Wie Logopädie und Kieferorthopädie voneinander profitieren können

„Viele Köche verderben den Brei“, heißt es gerne. Doch wenn die Behandlung eines Patienten die Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen benötigt, ist ein professioneller Austausch der Fachleute untereinander zwingend erforderlich. Allerdings ist das Wissen über die Arbeit der jeweils anderen Profession oftmals sehr gering. Ein gutes Beispiel für gelingenden interprofessionellen Austausch ist die Zusammenarbeit von Logopädie und Zahnmedizin/Kieferorthopädie (KFO). Um diesen Erfolgsweg weiter zu vertiefen und auf breitere sowie wissenschaftliche Füße zu stellen, veranstalten die Logopädinnen Petra Krätsch-Sievert und Gerlanda Schuite im September das erste Symposium zum Thema orofaziale Dysfunktionen (OFD) im deutschsprachigen Raum. Darüber haben wir mit Petra Krätsch-Sievert gesprochen.
Wie Logopädie und Kieferorthopädie voneinander profitieren können
© Petra Krätsch-Sievert

Petra, Du hast gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Kieferorthopäden in Deinem Praxisalltag gesammelt.

Stimmt genau. Nach über 25 Jahren Berufserfahrung kann ich sagen, dass der Austausch mit Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden stets am besten funktionierte. Vielleicht liegt das daran, dass wir – also die Logopädie und die KFO – oft zeitgleich am Patienten wirken und so eher wahrnehmen, wie wir mit unserer Arbeit voneinander abhängig sind. Häufig sehe ich die Patientinnen und Patienten nämlich dann, wenn sie schon eine Spange tragen. Und weil in der KFO die Patient:innen sehr engmaschig begleitet werden, bedeutet das, dass die behandelnde Ärztin nicht erst Monate später sieht, was in der Logopädie so gelaufen ist. Manchmal sieht der KFO-Behandlungsplan vor, dass Geräte im Mund appliziert werden, die eine logopädische Behandlung erschweren oder sogar verhindern. Dann suche ich das direkte Gespräch. Da die logopädische Therapie ja mit gutem Grund verordnet wurde, sollte diese auch die Möglichkeit haben, erfolgreich zu sein. Und das gelingt einfach nicht mit jedem Gerät im Mund.

Hast Du ein konkretes Beispiel dafür?

Wenn die Zunge sich in Ruhe nicht flach oben am Gaumen anlagert, sondern vorne an den Zähnen, dann ist das nicht physiologisch und auch schlecht für die Zahnstellung. In der KFO wird die Zunge dann mitunter mit einer Art Spikes oder Gatter daran gehindert, sich an die Frontzähne anzulagern. So lernt die Zunge jedoch nicht, wie und wo sie sich korrekt hinlegen soll. Das erkläre ich dann im Gespräch und bislang konnte ich noch alle Ärztinnen oder Ärzte davon überzeugen, meinen Behandlungsweg mitzugehen.

Zum Telefon zu greifen, ist ja quasi der kurze Draht. Welche anderen Kommunikationswege nutzt Du noch?

Neben dem Schreiben von Berichten ist es mir auch wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte meine Arbeitsweise kennen. Das bedeutet, ich gehe in die Praxen und ärztlichen Qualitätszirkel und halte Vorträge und Schulungen. Ich erkläre, wie Logopädie funktioniert. So können wir uns fachlich austauschen und reden nicht nur über falsch ausgefüllte Verordnungen. Dadurch entsteht gegenseitige Wertschätzung und die Abstimmung unserer Arbeit am Patienten erfolgt auf Augenhöhe. Das ist für mich die Basis für eine gelungene Kooperation.

Die Behandlung von orofazialen Störungen ist Dein Spezialgebiet in der Logopädie. Wie kam es dazu?

Mein Berufseinstieg war die Behandlung von Dysphagien organischer Genese. Viele der betroffenen Patientinnen und Patienten hatten ihr Problem mit dem willkürlichen Teil des Schluckens. Also damit, was direkt im Mund passiert. Dazu gab es damals aber noch nicht viel spezifisches Wissen. Das Therapieren bestand größtenteils aus Learning by Doing. Später als selbstständige Logopädin hatte ich erneut Patient:innen mit oralen Problemen. Das damalige Wissen basierte hauptsächlich auf Annahmen aus den 1960er Jahren. Aus dieser Mangellage heraus entwickelte ich mein eigenes Behandlungskonzept. Und die Behandlungserfolge führten dazu, dass immer mehr Patientinnen und Patienten mit einer OFD an mich verwiesen wurden.

Und dann hattest Du die Idee, ein Symposium zu veranstalten?

Seit vielen Jahren halte ich Seminare zum Thema OFD und ich tausche mich viel mit Kolleg:innen darüber aus. Diesen Austausch auf breitere Füße zu stellen und fachlich zu vertiefen, war dann für mich der logische nächste Schritt. Denn Entwicklung lebt ja auch vom gemeinsamen Diskurs. Eine solche Veranstaltung sowohl für Ärzt:innen als auch für Therapeut:innen zu planen und durchzuführen, erfordert neben der fachlichen Expertise auch Erfahrung in der Organisation von Fortbildungen. Und als Gerlanda Schuite von SemiFobi aus Rheine dazukam, konnten wir so richtig loslegen. Nun haben wir eine zweitägige hybride Veranstaltung auf die Beine gestellt, auf der elf Referentinnen und Referenten aus Forschung und Praxis das Thema OFD aus ihrem jeweiligen Blickwinkel intensiv beleuchten.

Veranstaltungshinweis

Das erste OFD-Symposium findet am 6. und 7. September 2024 in hybrider Form statt. Die Teilnahme ist also sowohl vor Ort in Frankfurt a. M. als auch online möglich. Im Fokus des Symposiums steht die Zunge. Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden hierzu den aktuellen Stand der Forschung sowie das Neueste aus der Praxis erfahren. Das vollständige Programm und die Anmeldung findet Ihr auf der Website www.ofd-symposium.com

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