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Berufsgesetze in der Physiotherapie: Keine Reform und kein Druck

Der Deutsche Bundestag hat sich in die Sommerpause verabschiedet, ohne dass über die dringend notwendige Reform der Berufsgesetze in der Physiotherapie entschieden worden ist. Es gibt noch immer keinen offiziellen Referentenentwurf, es gibt keine Kabinettsentscheidung, es gibt keinen Gesetzesentwurf, und ob eine Entscheidung im Bundestag zum Thema Berufsgesetze in dieser Legislaturperiode noch zustande kommt, darf bezweifelt werden. Aber es gibt auch keinen öffentlich wahrnehmbaren Druck der Heilmittelbranche auf die Politik, bei diesem Thema schneller zu arbeiten.
Bundestag in Berlin
© iStock: seb868

Das Ganze ist primär ein Armutszeugnis für die Gesundheitspolitik. Schon unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn war die Reform der Berufsgesetze der Heilmittelerbringer auf der Agenda. Der aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Reform der Berufsgesetze der Physiotherapeuten schon im Herbst 2022 angekündigt, mit dem Versprechen, „in den nächsten Wochen“ einen ersten Entwurf vorlegen zu wollen.

Und jetzt, mehr als 1,5 Jahre danach, sind wir keinen Schritt weiter. Anfang Februar haben wir über einen vertraulichen Entwurf aus dem Gesundheitsministerium berichtet. Und das war’s. Nichts Neues an der Berufsreform-Front!

Fachkräftemangel: neue Wege nötig

Gleichzeitig sind Fachkräfte ein Mangel und in der Branche heiß umkämpft. Teils monatelange Wartelisten verhindern eine zeitnahe Versorgung akut behandlungsbedürftiger Patient:innen. Es gibt einfach keine neuen Kolleginnen und Kollegen. Und das ist kein Wunder, denn immer noch ist unklar, wie sich die Berufe der Heilmittelbranche in Zukunft entwickeln werden. Der im Februar in Berlin zirkulierende Entwurf neuer Berufsgesetze für die Physiotherapie sah primär eine Fachschulausbildung und nur begrenzt eine akademische Ausbildung für angehende Physiotherapeut:innen vor – also nur eine Teilakademisierung. Obwohl Deutschland damit im Vergleich zum europäischen Ausland trotz dieser „Reform“ das Schlusslicht bei der Ausbildung bleiben würde.

Das Problem: Ohne eine gemeinsame laute Stimme der Heilmittelerbringer:innen und der Verbände kann es kaum Veränderung geben. Und die gibt es bisher nicht. Daher mein Appell an Euch: Werdet laut, seht die Chancen, die Ihr jetzt habt. Denn jetzt könnt Ihr noch Einfluss nehmen auf die Neugestaltung der Berufsgesetze und so dazu beitragen, dass Euer Beruf auch für junge Menschen attraktiver wird, dass Ihr endlich mehr Verantwortung übernehmen dürft und so ein Arbeiten auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten stattfinden kann.

Wir dürfen keine Zeit verlieren

Im stressigen Praxisalltag mit all seinen Herausforderungen ist es oft schwierig, den Blick in die Zukunft zu wenden. Heute beschäftigen Euch Themen wie die kurzen Behandlungstakte, viel zu viel Bürokratie und eine Vergütung, die es auch schwer macht, beim Gehalt mit Tarifverträgen zu konkurrieren. Dabei ist die Verschleppung der Reform unterm Strich viel teurer, denn sie verhindert, dass Fachkräfte nachkommen, die die Branche so dringend braucht. Denn schlimmer als zu niedrige Honorare sind gar keine Honorare, weil man keine Behandelnden hat! Jedenfalls dann, wenn man eine Praxis mit GKV-Zulassung betreibt.

Was man als Praxisinhaber:in auch nicht vergessen sollte: Bis die Berufsreform greift, also mehr junge Menschen sich für einen Beruf in der Heilmittelbranche entscheiden, dauert es locker vier Jahre und länger. Wer heute schon darüber stöhnt, dass es nicht genug Fachkräfte gibt, muss sich darüber klar sein, dass es in den kommenden Jahren noch schlimmer wird.

Was muss passieren, damit sich etwas verändert?

Bei den bundeseinheitlichen Preisen, die unter Jens Spahn verabschiedet worden sind, waren es einzelne Therapierende, die Fahrrad gefahren, mit Kreide gemalt und einen Gesundheitsminister auf Facebook festgenagelt haben.

Aktuell stehen weitreichende Entscheidungen für die Heilmittelbranche an. Die monatelange Pause bei der Berufsreform allein ist schon ein sehr guter Grund, auf die Straße zu gehen. Die fehlende Beteiligung im G-BA ist ein zweiter guter Grund, aktiv zu werden. Die fehlende bzw. viel zu zögerliche und ängstliche Umsetzung der Blankoverordnung wäre ein wichtiger dritter Grund, laut zu werden. Und diese drei Punkte würden gute Gründe liefern, beim Thema Honorar noch mal energisch nachzuverhandeln.

Die Sommerpause ist eine gute Gelegenheit, aktiv auf die Bundespolitikerinnen und -politiker zuzugehen und klarzumachen, dass eine weitere Verschleppung der Berufsreform die zukünftige Versorgung der Patientinnen und Patienten gefährdet.

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